Gedanken der Kursleiterin
Musik trifft Demenz bedeutet:
Sich von Musik inspirieren, geistig-seelisch berühren und (soweit möglich) auch körperlich bewegen lassen.
Musik schafft unmittelbar einen
Erfahrungsraum voller Assoziationen, Erinnerungen, Gefühle. Dabei ist es egal, ob wir z.B. einen Satz aus einer Mozart-Sinfonie hören oder ein schlichtes Volkslied singen, ob wir zu einem Schlager schmettern oder zum Radetzky-Marsch klatschen.
Musik verwandelt uns: Wir gehen aus der Gruppe anders hinaus als wir hinein gegangen sind. Die Erfahrungen zeigen, dass wir uns meistens „besser“ fühlen: von lebendiger, belebter, angeregter, froher bis hin zu besänftigter, ruhiger, gesammelter, zuversichtlicher ...
Musik schafft Begegnung: Die Gruppe ist so lebendig und anregend wie ihre Teilnehmer. Als Leiterin schaffe ich einen abwechslungsreichen Rahmen mit Wiedererkennungswert (!). Daneben bringen die Teilnehmer ihre Persönlichkeit, Wünsche und Bedürfnisse ein, die ich gerne in den Ablauf miteinbeziehe. Dazu müssen wir uns kennenlernen und dann kann viel wachsen. Ein Beispiel: Herr B. war mit seiner Frau in der Oper „Xerxes“ von Händel, hörte das bekannte „Largo“. Es stellte sich heraus, dass nicht nur er, sondern auch andere Teilnehmer Assoziationen und Begebenheiten mit diesem Stück verbinden. Was liegt also näher, als dieses wunderbare Stück zusammen zu hören und zu singen, vielleicht zum 1. Mal im Leben auf italienisch zu singen. Und wenn, weil dasnicht geht, dabei vielleicht sogar eine andere (Phantasie-)Sprache entsteht, ist es umso besser ...!
Musik macht aus Menschen Brüder und Schwestern:
Das wusste nicht nur Beethoven, sondern ist bei Musik trifft Demenz eine der für mich schönsten Erfahrungen: Wir begegnen uns als gleichwertige Menschen, von Herz zu Herz, von Seele zu Seele.
Die kognitiven Unterschiede der Teilnehmer spielen bei meiner Vorgehensweise keine Rolle, d.h., sie sind für mich nicht wirklich von Belang. Und ich glaube, dass so eine menschliche und tiefe Begegnung möglich werden kann. Solche Momente lassen sich nicht einfordern, sondern sind, wenn sie passieren, ein schöner Gruß des Himmels ...
Und nicht zuletzt: Musik macht Freude - und Freude brauchen wir alle!
Annette Kohler, im Januar 2017
Warum ist Musik und Bewegung für Menschen mit Demenz sinnvoll?
Musik gehört zur Natur des Menschen und begleitet uns von der Geburt bis zum Lebensende. Da Musik sehr stark auf der emotional-seelischen Ebene wirkt, kann sie ein Tor zur Welt der Gefühle von dementiell erkrankten Menschen sein. Die Wahrnehmung und das Empfinden der eigenen Emotionalität durch Musik ist hilfreich, um sich der eigenen Identität zu versichern. Vor allem gemeinsames Singen und sanftes Bewegen schaffen ein Erleben des Augenblicks und können durch ordnende, bekannte Struktur Sicherheit und Ruhe vermitteln.
Musik und Bewegung für Menschen mit Demenz findet statt
in der Einzelbegleitung im geschützten Rahmen zu Hause (gerne mit betreuender Person)
in der Einzelbegleitung in der jeweiligen Pflegeeinrichtung (gerne mit einer Pflegekraft) in der Kleingruppe
Was dürfen Sie erwarten?
Je nach Schweregrad der Erkrankung sind auch die Wirkungen unterschiedlich und mitunter nicht eindeutig zu fassen. Förderlich ist, wenn Musik bereits im früheren Leben eine Rolle gespielt hat, da viele Musikstücke im Langzeitgedächtnis trotz Erkrankung präsent sind und als Selbstbestätigung des „Ich-kann-etwas“ positive Wirkung auf das Selbstwertgefühl haben.
Im Vergleich zur Kommunikation auf verbaler Ebene wirkt Musik als Erinnerungshilfe wesentlich länger und stärkt so die Ich-Identität. Das Wichtigste beim gemeinsamen Musizieren ist und bleibt jedoch die belebende, bzw. entspannende Wirkung von Musik. Musik erfeut und öffnet in der Regel alle Herzen und lässt uns unsere Lebendigkeit spüren.
Das Teilen einer Erfahrung
Frau L. (78 J.) saß mit Vorliebe meist reglos in ihrem Sessel. Als ich sie einmal besuchte, um mit ihr zu singen, vermochte das Kirchenlied „Großer Gott, wir loben dich“ sie für eine kurze Zeit in eine geradezu jung anmutende, strahlende Frau zu verwandeln. Ohne Stocken sang sie mit Begeisterung auswendig mehrere Stophen und zeigte mir unmittelbar die belebende und kraftspendende Wirkung von Musik.
„Man spürt,dass man lebt!“, fasste eine nicht erkrankte Seniorin das Singen in gemeinsamer Runde zusammen. Auch wenn dementiell erkrankte Menschen es so vielleicht nicht ausdrücken können, dürfen wir davon ausgehen, dass sie es so erleben!
Annette Kohler (Fachbereichsleiterin für Musikgeragogik an der Musikschule Taunus, Dipl.Sängerin, Gesangslehrerin) wurde 1964 in Freudenstadt/Schwarzwald geboren. Annette Kohlermachte eine zweijährige Weiterbildung zur Sterbe-und Trauerbegleiterin in Hamburg und arbeitete von 2007 bis 2009 als Lebensbegleiterin für dementiell Erkrankte im Haus Aja Textor-Goethe in Frankfurt. Sie ist seit 2004an der Musikschule Taunus tätig und seit 2013bei der Dommusik Limburg und derMusikschule Idstein aktiv. Nach ihrem Operndiplom als Mezzosopran an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt a. M. sang sie freischaffend an Opernbühnen und europaweit als Konzertsängerin. Sie war 2001 Mitgründerin und jahrelanges Mitglied des Deutschen Kammerchores und sang in weiteren Profichören wie dem Balthasar-Neumann-Chor (Thomas Hengelbrock) und Stuttgarter Kammerchor (Frieder Bernius).
Das Angebot
Musik trifft Demenz
Dienstags, 14.30 - 16.00 Uhr, monatliche Rate 30 €
Ev. Andreasgemeinde Niederhöchstadt, Langer Weg 2
Einzelbegleitung
30 Minuten, monatliche Rate 75 €
45 Minuten, monatliche Rate 104 €
60 Minuten, monatliche Rate 128 €